EU-Lieferkettenrichtlinie – Monster oder Marktchance?

Datum der Veröffentlichung: 25. Februar 2025

Schon allein der Name ist sperrig: Corporate Sustainability Due Diligence Directive. Oder auf deutsch: Richtlinie zur unternehmerischen Nachhaltigkeitssorgfaltspflicht. In der öffentlichen Diskussion werden daher meist die Abkürzung CSDDD (noch kürzer: CS3D) oder die deutsche Kurzbezeichnung verwendet: EU-Lieferkettenrichtlinie. Die Regelung trat im Sommer 2024 in Kraft und muss innerhalb der nächsten zwei Jahre in nationales Recht umgesetzt werden.

 

Im Kern geht es darum, große Unternehmen dazu zu verpflichten, mehr auf die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards zu achten. Das betrifft die gesamte Wertschöpfungskette – von der Förderung des Rohstoffs über die Herstellung bis hin zur Bereitstellung von Produkten und Dienstleistungen. Unternehmen tragen dadurch in Zukunft (noch) mehr Verantwortung dafür, mit welchen Zulieferern sie zusammenarbeiten. Umweltschützer und Menschenrechtsaktivisten hatten das schon lange gefordert. Ebenso kritische Verbraucher, die insbesondere bei Kleidung und Nahrung sicher sein wollen, dass bestimmte Standards eingehalten werden.

Deutsche Wirtschaft warnt vor Bürokratiemonster



Viele Unternehmen und Wirtschaftsverbände befürchten dagegen, dass die CSDDD sich zu dem Bürokratiemonster entwickelt, den der Name vermuten lässt. Sie erwarten einen hohen organisatorischen Aufwand, steigende Kosten und Nachteile im globalen Wettbewerb. Mehrere Verbände hatten daher bis zuletzt versucht, die Richtlinie zu stoppen. In einem Schreiben an die EU und die Bundesregierung hieß es: „Es ist schlicht praxisfremd zu verlangen, dass Unternehmen aus den EU-Mitgliedstaaten für Pflichtverletzungen haften sollen, die in ihren Lieferketten geschehen.”

 

Die Verbände sehen bereits im deutschen Lieferkettengesetz, das 2023 eingeführt wurde, eine erhebliche Belastung. Sobald unter einer neuen Bundesregierung das Lieferkettengesetz an die EU-Richtlinie angepasst wird, werden die bestehenden Vorschriften erweitert. So sieht die CSDDD vor, dass die Sorgfaltspflichten verschärft und auf die nachgelagerte Wertschöpfungskette ausgedehnt werden. Für Unternehmen bedeutet das, dass sie den Einsatz ihrer Produkte und Dienstleistungen auch noch nach dem Vertrieb kontrollieren müssen.

Schrittweise Einführung würde Mittelstand entlasten



Die gesamte Lieferkette zu überwachen, würde insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) vor Herausforderungen stellen. Im Gegensatz zu großen Konzernen fehlt ihnen in den meisten Fällen die Marktmacht, um direkten Einfluss auf Zulieferer zu nehmen. Eine schrittweise Umsetzung wäre daher zielführend, etwa durch eine Unterteilung der Lieferkette in Risikoklassen. Dies würde KMU entlasten und gleichzeitig eine pragmatische Annäherung an die angestrebten Sorgfaltspflichten ermöglichen, ohne ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit unverhältnismäßig zu beeinträchtigen.

 

Im Rahmen eines differenzierten Ansatzes könnten große Wirtschaftsakteure, die durch globale Marktstrukturen in der Vergangenheit überproportional profitiert haben, stärker in die Verantwortung genommen werden. Sie verfügen auch über die notwendigen finanziellen und organisatorischen Ressourcen, um Druck auf Partnerunternehmen zu machen umfassende Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette effektiv umzusetzen.

Neue Pflichten und neue Perspektiven



Unternehmen (zunächst ab 5000, später ab 1000 Mitarbeitern) müssen sich in den nächsten Jahren darauf einstellen, folgende Maßnahmen umzusetzen:


  • Implementierung eines internen Systems, um entlang der gesamten Wertschöpfungskette Risikoanalysen durchführen zu können
  • Umsetzung eines Climate Transition Plans, um den Geschäftsbetrieb mit dem Pariser Klimaabkommen in Einklang zu bringen
  • Einrichtung eines Mechanismus, um Beschwerdeverfahren entlang der Lieferkette zu ermöglichen
  • Durchführung regelmäßiger Prüfungen, um die Wirksamkeit durchgeführter Maßnahmen zu bewerten
  • Schulung von Mitarbeitern, um diese auf neue Anforderungen und veränderte Prozesse vorzubereiten


Trotz des Aufwands und möglicher Nachteile bieten sich gerade für deutsche Firmen auch neue Perspektiven: Wenn die Wertschöpfungskette nicht nur in Deutschland, sondern EU-weit überwacht werden muss, herrscht Chancengleichheit im internationalen Wettbewerb. Darüber hinaus haben Unternehmen durch eine frühzeitige und konsequente Umsetzung die Chance, ihr Markenimage zu verbessern und ihre Marktposition zu stärken. Denn: Eine glaubwürdige Nachhaltigkeitsstrategie macht sie für Investoren und Geschäftspartner attraktiver.


Von zentraler Bedeutung wird es sein, Synergien mit einer anderen EU-Richtlinie zu schaffen: Die Corporate Sustainability Reporting Direktive (CSRD) verpflichtet Unternehmen, über ihre Nachhaltigkeit Bericht zu erstatten. Die Richtlinie ist seit 2023 in Kraft und muss daher schon bald nach der Wahl von einer neuen Bundesregierung umgesetzt werden. Durch die Integration beider Richtlinien können Unternehmen regulatorische Anforderungen effizienter bewältigen und ihre Wertschöpfungsketten strategisch optimieren.

Aktuelle Themen

11. April 2025
CDU, CSU und SPD haben sich auf einen ambitionierten Kurs verständigt: Der Koalitionsvertrag 2025 setzt klare Prioritäten – wirtschaftliche Erneuerung, technologieoffener Klimaschutz, eine modernisierte Bundeswehr, ein digitaler Staat und gezielte Entlastungen für Familien, Arbeitnehmende und Rentner. Neben einer neuen Gründerfreundlichkeit und einem massiven Ausbau der Energie- und Wasserstoffinfrastruktur verspricht das Bündnis auch Fortschritte bei der Wohnraumschaffung, der Rentensicherheit, dem Bürokratieabbau und der frühkindlichen Bildung. Der Sozialstaat wird reformiert, Asylverfahren beschleunigt, und die Verwaltungsmodernisierung auf allen Ebenen angepackt. Zugleich bleibt die Handschrift einer stabilitätsorientierten Haushaltspolitik mit Schuldenbremse erkennbar. Verbraucher können sich auf verbesserte Verbraucherrechte im digitalen Raum, fairere Steuersätze und mehr Transparenz bei Lebensmitteln und Dienstleistungen einstellen. Die größten Investitionen werden in Verteidigung, Klima, Infrastruktur und Bildung fließen – vergleichsweise gering bleibt der Aufwand bei Justiz, Kultur und Ehrenamt. Wer alle Inhalte im Detail, aber in leicht verständlicher Sprache nachlesen möchte, findet unsere vollständige Zusammenfassung zum Download hier:
7. April 2025
In Deutschland sind zahlreiche Studiengänge, insbesondere im Bereich der Medizin, durch einen Numerus Clausus (NC) zulassungsbeschränkt. Dies führt dazu, dass viele Bewerber trotz Hochschulreife keinen Studienplatz erhalten. Einige von ihnen entscheiden sich daher, ihren Studienplatz auf dem Rechtsweg einzuklagen. Solche Studienplatzklagen haben in der Vergangenheit sowohl Erfolge als auch Misserfolge verzeichnet. Grundlagen der Studienplatzklage Eine Studienplatzklage basiert auf der Annahme, dass Hochschulen ihre Ausbildungskapazitäten nicht vollständig ausschöpfen und somit zusätzliche Studienplätze verfügbar sind. Durch eine sogenannte Kapazitätsklage wird geprüft, ob die Universität tatsächlich alle verfügbaren Plätze vergeben hat. Ist dies nicht der Fall, kann das Verwaltungsgericht die Hochschule verpflichten, weitere Bewerber zuzulassen. Aktuelle Fallbeispiele erfolgreicher Studienplatzklagen In den letzten Jahren gab es mehrere bemerkenswerte Fälle, in denen Studienplatzklagen erfolgreich waren: Medizinische Hochschule Hannover (MHH) : Im Jahr 2020 wurde ein Student im sechsten Fachsemester Humanmedizin an der MHH durch eine erfolgreiche Studienplatzklage zugelassen. Das Verwaltungsgericht Hannover stellte fest, dass die Universität ihre Aufnahmekapazität falsch berechnet hatte, wodurch zusätzliche Studienplätze verfügbar wurden. Quelle Universität Jena : Zum Wintersemester 2020/2021 einigte sich die Universität Jena in einem gerichtlichen Vergleich darauf, acht weitere Studienbewerber im ersten Fachsemester Medizin aufzunehmen. Dies geschah, nachdem festgestellt wurde, dass die Universität ihre Kapazitäten nicht vollständig ausgeschöpft hatte. Quelle Universität des Saarlandes : Ebenfalls im Wintersemester 2020/2021 verpflichtete sich die Universität des Saarlandes, vier zuvor abgelehnte Studienbewerber im fünften Fachsemester Medizin (klinischer Abschnitt) aufzunehmen. Diese Einigung resultierte aus einer erfolgreichen Studienplatzklage. Quelle Bedeutung der Kapazitätsberechnung Diese Fälle unterstreichen die Bedeutung einer korrekten Kapazitätsberechnung durch die Hochschulen. Fehlerhafte Berechnungen können dazu führen, dass Studienplätze ungenutzt bleiben, obwohl eine hohe Nachfrage besteht. Studienplatzklagen dienen in solchen Fällen dazu, die tatsächlichen Kapazitäten offenzulegen und sicherzustellen, dass alle verfügbaren Studienplätze vergeben werden. Unser Fazit Die Studienplatzklage bleibt ein wichtiges Instrument für Bewerber, die trotz formaler Qualifikation keinen Studienplatz erhalten haben. Erfolgreiche Klagen zeigen, dass Hochschulen ihre Kapazitäten nicht immer vollständig ausschöpfen und dass der Rechtsweg eine Möglichkeit bietet, dennoch einen Studienplatz zu erlangen. Bewerber sollten jedoch beachten, dass solche Verfahren komplex sind und eine sorgfältige rechtliche Beratung erfordern.
7. April 2025
In den letzten Jahren haben mehrere Gerichtsentscheidungen die Rechte von Verkehrsteilnehmern im Zusammenhang mit Geschwindigkeitsmessungen gestärkt. Zentral dabei ist die Frage, ob und inwieweit Betroffene Zugang zu den vollständigen Messdaten erhalten müssen, um die Genauigkeit der erhobenen Geschwindigkeitswerte überprüfen zu können.​ Hintergrund: Standardisierte Messverfahren und ihre Beweisführung Bei Geschwindigkeitskontrollen kommen häufig sogenannte standardisierte Messverfahren zum Einsatz. Diese zeichnen sich durch normierte Abläufe und zugelassene Messgeräte aus, bei denen unter gleichen Bedingungen gleiche Ergebnisse erwartet werden. Gerichte gehen in solchen Fällen oft von der Richtigkeit der Messergebnisse aus, sofern keine konkreten Anhaltspunkte für Messfehler vorliegen. Für Betroffene bedeutet dies, dass sie im Falle eines Einspruchs gegen einen Bußgeldbescheid darlegen müssen, warum die Messung fehlerhaft sein könnte. Hierfür ist der Zugang zu den vollständigen Messdaten essenziell. Recht auf Einsicht in Messdaten Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in einem Beschluss vom 12. November 2020 betont, dass Betroffene in Ordnungswidrigkeitenverfahren grundsätzlich ein Recht auf Zugang zu den bei der Bußgeldbehörde vorhandenen, aber nicht zur Akte genommenen Informationen haben. Dies umfasst insbesondere die Rohmessdaten der Geschwindigkeitsmessung. Das Gericht führte aus, dass das Recht auf ein faires Verfahren es erfordert, dem Betroffenen die Möglichkeit zu geben, die gegen ihn erhobenen Vorwürfe umfassend zu überprüfen. Ohne Zugang zu den vollständigen Messdaten sei eine effektive Verteidigung kaum möglich. Weitere gerichtliche Entscheidungen Auch andere Gerichte haben sich mit der Thematik befasst:​ Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg : In einem Urteil vom Januar 2023 entschied der Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg, dass Betroffenen Zugang zu den Wartungs- und Reparaturunterlagen des verwendeten Messgeräts gewährt werden muss. Die Verweigerung dieser Einsicht stelle einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens dar. ​ Amtsgericht Koblenz : Das Amtsgericht Koblenz entschied, dass Betroffene das Recht haben, bestimmte Messdaten und -unterlagen einzusehen, um eine ordnungsgemäße Verteidigung sicherzustellen. Dies basiert auf dem Grundsatz des fairen Verfahrens, der sowohl im Strafprozessrecht als auch im Bußgeldrecht gilt. Bedeutung für Betroffene Diese Entscheidungen unterstreichen die Bedeutung der Transparenz bei Geschwindigkeitsmessungen. Für Betroffene bedeutet dies, dass sie im Falle eines Bußgeldverfahrens das Recht haben, die vollständigen Messdaten einzusehen, um die Messung auf mögliche Fehler überprüfen zu können. Dies stärkt die Verteidigungsrechte und trägt zu einem fairen Verfahren bei.​ Unser Fazit Die aktuelle Rechtsprechung betont die Notwendigkeit der Transparenz und des Zugangs zu vollständigen Messdaten bei Geschwindigkeitskontrollen. Betroffene sollten sich dieser Rechte bewusst sein und im Falle von Zweifeln an der Messgenauigkeit entsprechende Einsicht in die Messunterlagen verlangen.